„Das war schon immer so und es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern“. Dieser Spruch bringt dasjenige zum Ausdruck, was man vielleicht als Gewohnheitsrecht bezeichnen könnte.
Können Sie sich auf Gewohnheitsrecht berufen,
begründet sich daraus oft eine Duldungspflicht eines Dritten.
Als guter Makler in Berlin wissen wir, das vor allem im Nachbarschaftsrecht ist das Gewohnheitsrecht oft Anlass ist, vermeintliche Rechte zu begründen.
Gerade dann, wenn sich im geschriebenen Gesetz keine Anspruchsgrundlage finden lässt, ist der Rückgriff auf das Gewohnheitsrecht der letzte Versuch, Recht zu begründen.
Beispiele zum Gewohnheitsrecht
Ihr Nachbar beruft sich darauf, dass Ihr Grundstück schon immer als „Notweg“ diente und es nicht angehe, diese gewohnheitsrechtliche Übung von heute auf morgen zu verweigern.
Oder: Sie wohnen in einer ruhigen Wohngegend. Die Gemeinde ändert den Bebauungsplan, so dass es mit der Ruhe vorbei ist, als gegenüber eine Autowerkstatt mit hoher Kundenfrequenz eröffnet wird. Oder ein Gericht entscheidet, dass trotz des Charakters des Wohngebiets eine Kindertagesstätte für 66 Kinder eingerichtet werden darf. Sie fragen sich, ob die sich verändernden Verhältnisse Ihre gewohnheitsrechtlich begründete Position als Immobilieneigentümer beeinträchtigen.
Inwiefern gibt es heute überhaupt noch Gewohnheitsrecht?
Gewohnheitsrecht ist ungeschriebenes Recht. Eine Definition im eigentlichen Sinne gibt es also nicht. Es besteht aus Verhaltensweisen, die nirgendwo rechtlich niedergeschrieben sind, dennoch aber der Rechtsüberzeugung der Bevölkerung oder der beteiligten Personen in einer bestimmten Situation entsprechen. Wenn Sie Ihre Immobilie verkaufen wollen, sollten möglichst keine Gewohnheitsrechte bestehen die für die ordnungsgemäße Nutzung wichtig sind.
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Gewohnheitsrecht ist ungeschrieben und heute sehr selten. Gesetze hingegen sind von der Volksvertretung beschlossen und in Textform verfasst. Gerade in Deutschland ist nahezu jede Kleinigkeit geregelt, so dass es für Gewohnheitsrecht eigentlich kaum mehr Raum gibt. Gerade, weil Gewohnheitsrecht nicht niedergeschrieben und damit verbundene Rechte nicht definiert sind, ist es schwierig, daraus Ansprüche abzuleiten. Gewohnheitsrecht ist Richterrecht und lässt sich in Bezug auf eine bestimmte Situation auch kaum definieren, da Gewohnheitsrecht sich oft auf bestimmte örtliche Gegebenheiten bezieht und die sich daraus ergebenden Verhaltensweisen nicht verallgemeinern lassen.
Gewohnheitsrecht und Rechtsprechung
Wenn wir von Gewohnheitsrecht sprechen, meinen wir meist Grundsätze, die im Anschluss an eine ständige Rechtsprechung, insbesondere der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofs, entstehen. Wurde beispielsweise eine Rechtsfrage von mehreren Oberlandesgerichten gleichermaßen oder in letzter Instanz vom Bundesgerichtshof entschieden, richtet sich die Bevölkerung hierauf ein und akzeptiert das von der Rechtsprechung gesetzte Recht.
Die daraus entstehende Übung ist letztlich nichts anderes als Gewohnheitsrecht, hat aber im Regelfall ihre Grundlage nunmehr im Gesetz. Auch im Nachbarschaftsrecht ist vieles detailliert geregelt. Geht es beispielsweise um das Notwegerecht, finden Sie in § 917 BGB eine detaillierte Regelung. Für Gewohnheitsrecht ist kein dann Platz mehr.
Beispiel:
Als Eigentümer des Grundstücks haben Sie das Recht, Ihr Grundstück jederzeit einzuzäunen und anderen Personen den Zutritt zu verweigern. Irgendwelche gewohnheitsrechtlichen Aspekte bleiben unbeachtlich. Einschränkungen können sich allenfalls aus baurechtlicher Sicht oder aus Naturschutzbelangen ergeben. Ein Notwegerecht besteht nicht, da das Gesetz Notwegerechte nur anerkennt, wenn einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit dem öffentlichen Verkehrsraum fehlt. Notwegerechte dienen aber nicht dazu, Drittpersonen Abkürzungsmöglichkeiten zu gewähren.
Gewohnheitsrecht gibt es beispielsweise auch im Arbeitsrecht. Dort heißt es dann „betriebliche Übung“. Zahlt ein Arbeitgeber vorbehaltlos über Jahre hinweg Weihnachtsgeld, bleibt er verpflichtet, aufgrund der entstehenden betrieblichen Übung das Weihnachtsgeld auch im Folgejahr zu zahlen.
Gewohnheitsrecht und Bestandsschutz
Eine andere Bezeichnung für Gewohnheitsrecht ist „Bestandsschutz“. Haben Sie eine bestimmte Rechtsposition, die seit Jahren besteht, haben Sie im Immobilienbereich oder im Baurecht teils Anspruch darauf, dass die Gegebenheiten fortbestehen bleiben. Die Frage des Bestandsschutzes ist beispielsweise bei Schwarzbauten relevant, wo dem Grundsatz nach Bestandsschutz gewohnheitsrechtlich nicht entstehen kann. Wurde Ihre Immobilien aus Unkenntnis über Ihr Grundstück hinaus auch auf dem Grundstück des Nachbarn entrichtet (Überbau), genießen Sie insoweit Bestandsschutz, als Sie die Immobilie nicht abreißen müssen, wohl aber dem Nachbarn eine Entschädigung zahlen oder ihm den Grundstücksteil abkaufen müssen.
Wann kann Gewohnheitsrecht anerkannt werden?
Gewohnheitsrecht kann in Ausnahmefällen anerkannt werden, wenn drei Voraussetzungen erfüllt sind, nämlich: Übung, Dauer und Überzeugung
- Es lässt sich feststellen, dass sich Menschen im Alltag in einer bestimmten Art und Weise verhalten.
Es ist eine Übung - Die festgestellte Verhaltensweise ist nicht nur eine vorübergehende Erscheinung,
sondern wurde schon immer so gehandhabt. Sie ist von Dauer. - Die Menschen verhalten sich in dem Bewusstsein, dass es sich dabei um geltendes Recht handelt.
Sie sind davon überzeugt, dass es ihr Recht ist, sich so zu verhalten. Es ist eine Überzeugung
Woher kommt der Begriff?
Das Gewohnheitsrecht spielt in der Rechtstheorie eine gewichtige Rolle. Recht kommt nicht aus dem Nichts. Die Rechtsentwicklung und die bestehenden Gesetze haben ihren Ursprung in Rechtsgewohnheiten. So stellt der Sachsenspiegel (etwa um 1220) eine Sammlung des sächsischen Gewohnheitsrechts dar und erlangte bald nach seinem Erscheinen für Jahrhunderte eine in weiten Teilen des Deutschen Reiches anerkannte Bedeutung.
Da die Lebensverhältnisse über die Jahrhunderte hinweg immer komplexer wurden und sich eine steigende Arbeitsteilung in der Gesellschaft einstellte, war es unabdingbar, bislang gewohnheitsrechtliche Grundsätze in Rechtsform zu gießen und genau zu definieren, wann Recht Recht ist.
Da Recht als solches erkennbar sein muss und Recht heute Grundlage des Rechtsstaats ist, muss Recht in Gesetzesform bestehen und dementsprechend von der Volksvertretung beschlossen und niedergeschrieben sein. Gewohnheitsrecht kann diese Aufgabe kaum erfüllen. Insoweit hat es heute kaum mehr Bedeutung.
Beispiel: Gewohnheitsrecht im Grundstücksbereich
Gewohnheitsrecht kann dann Bedeutung erlangen, wenn bestehende Gegebenheiten verändert werden. Dabei lässt sich Gewohnheitsrecht nicht isoliert betrachten, sondern steht fast immer im Zusammenhang mit anderen Rechtsgrundsätzen, insbesondere stellen sich dabei Fragen des Enteignungsrechts.
Gewohnheitsrecht und der Anspruch auf Ruhe
Sie sind Eigentümer einer Immobilie in einem Wohngebiet. Die Gemeinde ändert den Bebauungsplan dahingehend, dass nunmehr bauliche Anlagen, die dem Wassersport dienen, für zulässig erklärt werden (so Wannsee-Villa-Fall BGHZ 48,46). Aufgrund dessen errichtet ein Investor ein Bootshaus mit der Folge, dass Ihr Grundstück nicht mehr in einer Zone großer Ruhe liegt und deshalb im Wert gemindert erscheint.
Noch schwerwiegender und praktisch bedeutsamer sind Fälle, in denen neben Wohngebieten Industriegebiete (so Flachglas-Fall BVerwGE 45, 309) oder störende Verkehrsflächen (so BVerwG DöV 1975, 101: Hamburger Zoo-Parkplatz) vorgesehen werden. Für Sie würde sich die Frage stellen, ob Sie derartige Nutzungen verhindern könnten, indem Sie sich darauf berufen, dass Sie gewohnheitsrechtlich Anspruch darauf hätten, Ihren Besitzstand zu erhalten. Vielfach werden diese Sachverhalte auch unter dem Gesichtspunkt der Enteignung diskutiert. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, dass die verfassungsmäßige Eigentumsgarantie nicht den Schutz des Grundstückeigentümers umfasst, dass durch die Bauplanung die Nutzbarkeit anderer Grundstücke verändert wird. Sie könnten sich also nicht auf irgendwelche Gewohnheitsrechte berufen und müssten baurechtliche Änderungen weitgehend akzeptieren.
Gewohnheitsrecht bei landwirtschaftlicher Nutzung
Im Schweinmast-Fall (BGHZ 45, 23) betrieb ein Landwirt seit langer Zeit eine Schweinemästerei im landwirtschaftlich genutzten Außengebiet. Als sich das Baugebiet der Stadt ausdehnte, errichtete ein Anwohner ein Mietshaus. Die von der Schweinemast ausgehenden Geruchsbelästigungen führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohngebiets. Der Schweinemastbetreiber konnte sich nicht auf gewohnheitsrechtliche Grundsätze berufen. Er sei Störer und dürfe nach Polizei- und Ordnungsrecht rechtmäßig in Anspruch genommen werden.
Kein Gewohnheitsrecht im Bauplanungsrechtlichen Bereich
In all diesen Fällen stellt sich die Frage, ob eine Veränderung des Bebauungsplanes rechtmäßig ist (Wannsee-Villa-Fall), ob ein Industriegebiet neben Wohngebieten zulässig ist bzw. umgekehrt, ob Wohngebiete in Richtung Industriebetriebe ausgedehnt werden dürfen (Schweinemast-Fall), mit der Folge, dass angestammte Gegebenheiten weichen müssen.
In einem aktuellen Fall des hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Az. 3 B 107/07) durfte in einem reinen Wohngebiet eine Kindertagesstätte mit Platz für 66 Kinder eingerichtet werden. Die Anwohner konnten sich nicht darauf berufen, dass Sie gewohnheitsrechtlich „Anspruch auf Ruhe“ hätten. Vielmehr müssten sie die durch den Verkehr entstehenden Einschränkungen hinnehmen.
Wegerecht und Gewohnheitsrecht
Im Nachbarschaftsrecht geht es oft um Wege-, Geh- und Fahrrechte. In einem Urteil des Bundesgerichtshofes ging es um die Frage, ob ein Eigentümer, der jahrzehntelang die Nutzung seines Grundstücks durch Dritte duldete, verpflichtet ist, auch künftig ein Notwegerecht zu gewähren (BGH Urteil v. 22.1.2016, Az. V ZR 116/15).
Im Fall verlangten die Eigentümer eines benachbarten Grundstücks, dass sie auch weiterhin den Zufahrtsweg des Nachbarn zur öffentlichen Straße als Zufahrt zu ihrem eigenen Haus nutzen durften. Als es zwischen den Nachbarn zu Unstimmigkeiten kam, verbot der Eigentümer das bisher gewährte Wegerecht. Das Wegerecht war aber nicht dinglich gesichert. Die Nachbarn verlangten ein Notwegerecht und verwiesen darauf, dass es schon immer so war, wie es ist.
Gewohnheitsrecht und Notwegerecht schließen sich aus
917 BGB stellt hierzu klar, dass ein Notwegerecht nur besteht, wenn „die einem Grundstück zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit den öffentlichen Verkehrsraum fehlt“. Eine nur dem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers entsprechende Nutzung begründet gerade kein Notwegerecht. Da die Nachbarn im vorliegenden Fall mit einem Kraftfahrzeug unmittelbar an ihr Wohngrundstück heranfahren und den Eingangsbereich von dort aus in zumutbarer Weise erreichen konnten, fehlte es an den Voraussetzungen für ein Notwegerecht. Dass sie ihren Hauseingang beim Auffahren auf das benachbarte Grundstück leichter hätten nutzen können, blieb unbeachtlich. Auch spielte es keine Rolle, dass die Nachbarn wegen ihres Alters auf einen erleichterten Zugang angewiesen waren. Auf die persönlichen Bedürfnisse komme es nämlich nicht an. Dabei blieb auch unerheblich, dass der Nachbar das Überfahren seines Grundstücks seit Jahrzehnten ohne Widerspruch geduldet hatte.
Allein die langjährige Nutzung und Duldung bilde keine Grundlage für ein Notwegerecht. Der Eigentümer hatte sein Recht nicht verwirkt. Zugleich darf sich derjenige, der ein Nachbargrundstück nutzt, nicht darauf verlassen, dass er immer nutzungsberechtigt bleiben werde. Wollte der Nachbar ein Nutzungsrecht dauerhaft absichern, muss er ein solches Recht vertraglich mit dem Nachbarn vereinbaren und es dinglich sichern, indem er es im Grundbuch eintragen lässt. Ohne Eintragung im Grundbuch besteht keinerlei Bestandsschutz.
Dingliche Rechte als Alternative zum Gewohnheitsrecht
Um nachbarliche Streitigkeiten zu vermeiden, können die beteiligten Nachbarn eine Grunddienstbarkeit oder eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit vereinbaren und möglichst ins Grundbuch eintragen lassen. Meist geht es um Geh- und Wegerechte oder Fahrrechte.
Einen ähnlichen Fall entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken (Urteil vom 9.5.2017, Az. 1 U 81/16). Hier duldete der Eigentümer eines Grundstücks über Jahre hinweg, dass andere sein Grundstück benutzen und betraten. Ein Notwegerecht begründete sich dadurch nicht. Allerdings sah das Gericht in der stillschweigenden Duldung der Zufahrt ein Leihverhältnis, das wegen des öffentlichen Interesses an der Zuwegung nicht gekündigt werden konnte. Die Zuwegung gewährleistete die Erreichbarkeit einer öffentlichen Trinkwasseranlage. Der Eigentümer musste die Nutzung daher weiter dulden.
Das Nachbarschaftsrecht gibt zwar Normen für den nachbarschaftlichen Umgang miteinander vor, ein verbindlicher Anspruch auf ständige Überfahrt lässt sich aber auch daraus nicht herleiten. Ist ein Wegerecht hingegen als Grunddienstbarkeit eingetragen, ist sichergestellt, dass es auch erhalten bleibt, wenn der Eigentümer des Nachbargrundstücks einmal wechselt. Nachbarschaftliche Streitigkeiten werden somit vermieden, es gilt das was als Grunddienstbarkeit eingetragen ist.
Wie das Wegerecht auch entstanden ist, ob aus einem Gewohnheitsrecht hergeleitet, als Notwegerecht festgesetzt oder fest im Grundbuch des Nachbarn festgeschrieben. Der Unterhalt des Wegerechts, der Überfahrt oder der Zufahrt erfordert von den Nachbarn gemeinschaftliches handeln. Ob nun beim Unterhalt des Wegerechts, bei der Schnee- und Glättebeseitigung oder der allgemeinen Gefahrenabwehr, die Nachbarn sind zu einvernehmlichem Handeln aufgerufen.
Gewohnheitsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch
Dabei orientiert sich das Gericht daran, wer von den beiden Nachbarn die streitige Fläche bisher tatsächlich genutzt hat und nimmt insoweit auf Gewohnheitsrecht Bezug. Statt sich gerichtlich zu streiten, kommt auch der Grenzfeststellungsvertrag in Betracht, in dem Sie sich über den Grenzverlauf einvernehmlich einigen. Haben Sie sich über den Grenzverlauf geeinigt, können Sie die Grenzabmarkung durchführen, bei der der Grenzverlauf vor Ort eingemessen und durch Grenzsteineoder in anderer dauerhafter Weise gekennzeichnet wird (§ 919 BGB).
Geht es um eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung, bei der sich auf der Grenze zweier benachbarter Grundstücke Anlagen oder Einrichtungen befinden, die zum Vorteile beider Grundstücke dienen (§ 921 BGB), vermutet das Gesetz, dass die Eigentümer der Grundstücke zur Benutzung der Einrichtung gemeinschaftlich berechtigt sind. Diese Vermutung stellt damit auf Gewohnheitsrecht ab.
Gewohnheitsrecht und Ortsüblichkeit im Nachbarschaftsrecht
Gewohnheitsrecht steht oft im Zusammenhang mit ortsüblichen Verhältnissen. Möchten Sie beispielsweise Ihr Grundstück einzäunen, brauchen Sie sich nicht unbedingt auf Gewohnheitsrecht zu berufen. Umgekehrt können Sie sich auch nicht auf Gewohnheitsrecht berufen, wenn Ihre Einzäunung nicht ortsüblich ist.
Ortsüblich bedeutet, dass eine Einfriedung den örtlichen Verhältnissen (Ortsüblichkeit) entspricht und in Materialauswahl und Höhe nicht aus dem Rahmen fällt. So können Sie die Beseitigung oder Abänderung einer langjährig vorhandenen Einfriedung verlangen, wenn sich nur unter dieser Voraussetzung Ihr nachbarrechtlicher Anspruch auf eine ortsübliche Einfriedung verwirklichen lässt.
Dies kann der Fall sein, wenn Ihr Nachbar eine palisadenartige Einfriedung aus Eisenbahnschwellen (BGH NJW 1979, 1409) oder einen 2 m hohe Steinmauer anstelle der sonst üblichen Gartenhecken von 1 m Höhe vorhält (BGH NJW 1992, 2569). Genauso können Sie von Ihrem Nachbarn verlangen, dass eine Einfriedung beseitigt wird, die aus gebrauchten Eisenbahnschwellen besteht, wenn von den Schwellen wegen ihrer Imprägnierung gesundheitsschädliche Ausdünstungen ausgehen. Der Nachbar kann sich dann nicht gewohnheitsrechtlich darauf berufen, dass die Eisenbahnschwellen schon seit Jahrzehnten bestehen (OLG Köln, VersR 1997, 121).
Fazit
Gewohnheitsrecht ist ein relativer Begriff, Gewohnheitsrecht ist weit überwiegend Richterrecht. Es kann eher selten als Rechtfertigung herangezogen werden, um bestehende Zustände auch für die Zukunft zu bewahren. Gerade im Immobilienbereich und Nachbarschaftsrecht spielen die Interessen der Nachbarn eine große Rolle, durch die eventuell bestehende gewohnheitsrechtliche Regeln relativiert werden.
Es ist eine gut gemeinte, aus Erfahrungen der gerichtlichen Praxis begründete Empfehlung, sich in nachbarrechtlichen Streitigkeiten möglichst einvernehmlich zu verständigen und es möglichst nicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ankommen zu lassen. Nachbarrechtsstreitigkeiten kennen oft weder Verlierer noch Gewinner. Vor allem ist darauf zu verweisen, dass Nachbarn auch nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung Nachbarn bleiben und auch in Zukunft miteinander auskommen müssen. Gute Nachbarn sind ein echter wertbildender Faktor, wenn es um die Bewertung einer Immobilie geht.
Autor: Volker Bellaire
Bildquelle: © alphaspirit / Fotolia.com