Nachbarschaftsrecht

Wo Menschen auf engem Raum zusammenleben, sind Konflikte vorprogrammiert. Jeder beansprucht sein Revier. Das Nachbarschaftsrecht versucht dort, wo Konfliktpotenzial wahrscheinlich ist, Regelungen zu treffen.

Die schwierige Aufgabe des Gesetzgebers besteht dann darin, die oft gegensätzlichen Interessen so zu erfassen, dass alle Parteien irgendwie zufrieden sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass nur ein gegenseitiges Geben und Nehmen Kompromisse ermöglicht. Hier bei immoeinfach erfahren Sie die wesentlichen Grundlagen zum Nachbarschaftsrecht.

Wo ist das Nachbarschaftsrecht geregelt?

Das Nachbarschaftsrecht ist ein weitläufiger Begriff. Es ist naheliegend, das Nachbarschaftsrecht mit dem Nachbarschaftsgesetz gleichzusetzen. Tatsächlich ist es so, dass die Landesnachbarrechtsgesetze der Bundesländer viele Rechtsvorschriften beinhalten, die man vielleicht weitläufig als Nachbarschaftsrecht versteht. Allerdings ist das Nachbarschaftsrecht weitaus umfassender.

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Als Ausgangspunkt sollte man die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches sehen. Dort regeln §§ 903 bis 924 BGB das Verhältnis von Grundstückseigentümern untereinander. Im Grundsatz ist es so, dass jeder Eigentümer nach Belieben mit seinem Eigentum verfahren darf und auf seinem Grundstück alles tun und unterlassen darf, was ihm beliebt.

Die Grenze seines Handelns findet sich dort, wo er die Interessen seines Nachbarn berührt. Man könnte es auch anders formulieren: Das vom Grundgesetz garantierte Persönlichkeitsrecht des Eigentümers eines Grundstücks endet dort, wo das Persönlichkeitsrecht des Nachbarn beginnt. Umgekehrt gilt natürlich das Gleiche.

Das Nachbarschaftsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs regelt eine Reihe von Sachverhalten. Es ist die Rede vom „Überfall von Früchten“, wenn der Grundstückseigentümer die Früchte vom benachbarten Obstbaum für sich beansprucht, oder von der „Grenzverwirrung“, wenn der Grenzverlauf streitig ist oder vom „Notwegerecht“, wenn einem Grundstück die Verbindung zum öffentlichen Verkehrsraum fehlt. Auch andere Begriffe, etwa eine „Grenzabmarkung“, werden rechtlich definiert.

Rücksichtnahme und Toleranz – Gebote des Nachbarschaftsrechts

Der Gesetzgeber kann nicht alles regeln was geboten erscheint. Ohne Rücksichtnahme und Toleranz geht es unter Nachbarn nicht. Das „Gebot der Rücksichtnahme“ gebietet, dass jeder Nachbar auf die Belange seiner umliegenden Nachbarn Rücksicht nehmen muss. Da der Gesetzgeber nicht jeden Sachverhalt in einer Rechtsvorschrift erfassen kann und bestehende Rechtsvorschriften nicht jeden Sachverhalt in allen Nuancen erfassen können, entscheiden Gerichte Rechtsstreitigkeiten unter Nachbarn oft nach dem Gebot der Rücksichtnahme.

Beispiel: Ein Nachbar grillt im Sommer jeden Tag. Der Nachbar fühlt sich geräuchert. Konkrete Rechtsvorschriften dazu gibt es nicht. Also entscheiden die Gerichte einerseits danach, welche Intensität an Rauch und Geruch dem Nachbarn zuzumuten ist und müssen andererseits berücksichtigen, dass der Grillfreund einer sozial typischen Beschäftigung nachgeht, die sich als solche nicht verbieten und daher allenfalls einschränken lässt.

Jedes Bundesland hat ein eigenes Nachbarschaftsgesetz

Die Rechtsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches stammen aus dem Jahr 1900. Sie konnten nicht berücksichtigen, was Nachbarn auf ihrem Grundstück alles tun dürfen oder unterlassen müssen. Es bestand auch noch kein Handlungsbedarf. Erst dadurch, dass die Menschen immer mehr zusammengerückt sind und jeder auf sein Eigentum bedacht ist, ergab sich die Notwendigkeit, klare Grenzen zu ziehen.

Die Bundesländer tragen mit eigenständigen Nachbarschaftsgesetzendiesem Bedürfnis Rechnung. Sie regeln teilweise recht detailliert Grenzabstände von Pflanzen, die Grenzabstände von Gartenhäusern, wie Einfriedungenvorzunehmen sind, das Hammerschlags- und Leiterrecht, die Errichtung von Grenzwänden und Anbauten an eine Grenzwand, die Hochführung von Schornsteinen, Lüftungsschächten und Antennenanlagen oder die Duldungspflicht von Leitungen.

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Auch wenn die Nachbarschaftsgesetze der Bundesländer inhaltlich weitgehend übereinstimmen, beinhalten sie doch teilweise abweichende Regelungen. So hat auch das Bundesland Brandenburg mit dem Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetz (BbgNRG) vom 28. Juni 1996 oder Berlin mit dem Berliner Nachbarrechtsgesetz (NachbG Bln) vom 28. September 1973 eigenständige Regelungen geschaffen.

Lärm ist die Geißel unserer Zeit

Lärm und Krach sind immer weniger beherrschbare Umweltbelastungen. Die Landesimmissionsschutzgesetze der Bundesländer tragen diesem Umstand Rechnung. Das Berliner Landesimmissionsschutzgesetz bestimmt deshalb eine allgemeine Nachtruhe für die Zeit von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr morgens.

Danach hat sich jeder, auch Nachbarn, so zu verhalten, dass schädliche Umwelteinwirkungen vermieden werden. Tiere sind so zu halten, dass niemand durch ihre Immissionen erheblich belästigt wird. Und lärm- oder abgaserzeugende Motoren dürfen nicht unnötig betrieben werden. Da das Landesimmissionsschutzgesetz über die bloße Nachbarschaft hinaus auch Gewerbetreibende und Unternehmen in die Verantwortung einbezieht, lässt sich Nachbarschaftsrecht sehr umfassend verstehen.

Ergänzt werden die Vorschriften der Landesimmissionsschutzgesetze durch spezielle Verordnungen, wie beispielsweise die Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung. Sie bestimmt mithin, zu welchen Zeiten Nachbarn Rasenmäher oder Laubsauger betreiben dürfen oder umgekehrt zu welchen Zeiten Ruhe zu halten ist.

Schlichtung soll Streitigkeiten im Nachbarschaftsrecht lösen

Streitigkeiten unter Nachbarn sind oft emotional begründet. Wollte ein Nachbar sogleich beim Amtsgericht klagen, hätte es der Richter schwer, nach Maßgabe seiner formalen Vorschriften und Möglichkeiten, den Rechtsstreit sachgerecht zu entscheiden. Gerade im Nachbarschaftsrecht sollte es möglichst nicht darum gehen, dass es Gewinner und Verlierer gibt.

Nachbarn müssen zeitlebens miteinander auskommen. Insofern ist es zweckmäßiger, dass sie ihre Streitigkeiten im Wege von Kompromissen lösen und verstehen, dass jeder auf den anderen irgendwie angewiesen ist. Das ist letztendlich auch wertsteigernd. Wenn Sie Ihre Immobilie verkaufen wollen, hören sich konkrete Interessenten nicht selten auch in der Nachbarschaft um.

Aus gutem Grund schreiben deshalb die Bundesländer ein Schlichtungsverfahrenvor. Es ist Voraussetzung dafür, dass Nachbarn erst dann, wenn die Schichtungerfolglos geblieben ist, vor den ordentlichen Gerichten klagen können. Das Gesetz zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung, das es auch in Brandenburg, nicht aber in Berlin, gibt, verpflichtet Nachbarn, vorab ein Schlichtungsverfahrenin die Wege zu leiten.

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Der Schlichter versucht als neutrale Person, die zerstrittenen Nachbarn anzuleiten, dass sie wieder miteinander sprechen können, jeder den anderen versteht und letztlich bereit ist, einer einvernehmlichen Konfliktlösung zuzustimmen. Erst wenn der Schlichtungsversuch erfolglos bleibt, kann die Streitigkeit beim örtlichen Amtsgericht in einem förmlichen Gerichtsverfahren ausgetragen werden.

Nachbarschaftsrecht ist aber auch wieder einschränkend zu verstehen. Streiten sich Wohnungseigentümer in einer Wohnungseigentümerversammlung über ihre Rechte und Pflichten, sind sie zwar auch Nachbarn. Ihre Streitigkeiten beurteilen sich aber nach dem Wohnungseigentumsgesetz, das spezielle Verfahren und Lösungsmodelle für Wohneigentum vorhält. Auch hier muss in Bundesländern mit verpflichtender Streitschlichtung ein Schlichtungsversuch unternommen werden, bevor der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht ausgetragen werden kann. Meist geht es um Fälle, in den sich Wohnungsnachbarn beleidigen oder verleumden.

Rechtsprechung tut sich mit Nachbarschaftsstreitigkeiten schwer

Nicht alles im Leben von Nachbarn lässt sich gesetzlich erfassen. Es bleibt dann Aufgabe der Gerichtein Streitfällen letztendlich Entscheidungen zu treffen. Da jeder Sachverhalt anders ist, gibt es nur wenige Entscheidungen, die sich als allgemeinverbindlich bezeichnen und auf andere, scheinbar gleich gelagerte Sachverhalte übertragen lassen.

Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. An sich tun Sie immer gut dran mit Ihren Nachbarn zumindest ein „brauchbares Verhältnis“ zu haben, dies ist letztendlich auch von großem Wert, wenn Sie Ihr Haus verkaufen wollen. Kaufinteressenten hören sich nicht selten in der Nachbarschaft um. Dauerhafte Streitigkeiten werden dabei nicht unbedingt als wertsteigernd angesehen.

Geht es beispielsweise darum, wie oft der Nachbar im Garten grillen oder Gartenfeste feiern darf, gehen die Entscheidungen der Gerichte oft auseinander. Dies ist mithin darin begründet, dass es auf die örtlichen Gegebenheiten ankommt und in welcher Intensität sich Nachbarn betroffen fühlen. Wer also der Meinung ist, er müsse seine Streitigkeiten mit dem Nachbarn vor Gericht austragen, muss einbeziehen, dass richterliche Entscheidungen nur bedingt vorhersehbar sind.

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Eigentümer von Grundstücken sind gut beraten, ihr Verhalten zu reflektieren und auch aus der Sicht des Nachbarn zu betrachten. Im Idealfall sollten Nachbarn möglichst miteinander reden und sich so verständigen, dass jeder mit der Situation leben kann. Nachbarschaftsrecht sollte also nicht nur als Anspruch verstanden werden, sondern in dem Sinne, dass Nachbarn aufeinander angewiesen sind und der Nachbar, der heute etwas fordert, morgen vielleicht in der umgekehrten Situation ist und dann seinerseits darauf angewiesen ist, dass ein Nachbar sich als verständiger Mensch erweist.

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